Auf Kopfjägerpfaden

Köpfe der Feinde werden zu Schrumpfköpfen konserviert

Auf Kopfjägerpfaden mit Indianern Jivaro Schrumpfkopf
Schrumpfkopf - Shrunken head (tsantsa) - Jivaro, Ecuador über Wikimedia Commons

Aus einem Abstecher wurde ein siebenjähriges Dschungelabenteuer. Der Amerikaner Fritz W. Up de Graff übersteht alle Strapazen im Amazonas-Dschungel, als er dort am Ende des 19. Jahrhunderts mit Indianern auf Kriegspfad geht.

Er schildert auf sachliche und humorvolle Weise die ursprünglichen Lebensformen der Indianer, das harte Leben der Gummizapfer sowie die exotische Tier- und Plfanzenwelt. Up de Graffs Reise beginnt in Quito, Ecuador, dann von den Anden den Napo-Fluss hinab in den Regendschungel. Damals, 1894, war das Reisen im Amazonasgebiet noch kein „Rucksacktourismus“. Folglich wird es für Up de Graff ein siebenjähriges Dschungelabenteuer. Überdies findet er einen Weggefährten, der polizeilich gesucht wird. Doch Up de Graff schreibt über seinen Reisebegleiter Jack: „Mir war egal, wer ihn suchte: Er war genau der richtige Gefährte für die Reise“.

Von Fledermaus angezapft

Gleich zu Beginn seiner Amazonas-Durchquerung erlebt de Graff die seiner Meinung nach ekligste der zahllosen Plagen des Amazonas. „Mir läuft es beim bloßen Gedanken noch nach Jahren kalt über den Rücken“, schreibt er. Die Vampir-Fledermaus zapft ihn im Schlaf an und saugt soviel Blut, dass er am nächsten morgen schlaff und schwindelig fühlt. Denn der Blutverlust, den die Fledermaus verursacht, haut selbst die Ruderer um. Wer in der Nacht – die blutsaugenden Fledermäuse greifen nur einen Schläfer an und wecken ihn dabei niemals auf – zwei oder drei Punkturen verpasst bekam, war am nächsten Tag nicht mehr arbeitsfähig.

Ein kolumbianischer Händler begeht den schlimmsten Verstoß gegen das Gesetz des Dschungels: Er bestiehlt die beiden Reisenden. Doch im Urwald ist die Habe eines Mannes ein geheiligtes Eigentum. Tagelang nehmen sie mit Unterstützung von Indianern die Fährte auf und finden den Dieb. Ihnen blieb angeblich nichts anderes übrig, als zuerst zu schießen. Der überführte Händler stirbt.

Im tiefsten Herzen des Urwalds

Die Reisenden sind mehr als abenteuerlustig. Sie hören von dem Yasuni, einem Fluss, den noch nie ein Weißer befahren hat. Auch die angeheuerten Indianer folgen nur zögerlich diesem Vorhaben. Denn am Yasuni leben angeblich Infieles, Indianer mit denen nicht zu spaßen ist. Der Yasuni erweist sich als ein Fluss, der über hunderte von Kilometern überdacht ist von dichtem, undurchdringlichen Grün. De Graff fühlt sich auf dem Fluss im tiefsten Herzen des Urwalds.

Doch warum begibt sich Up de Graff sieben Jahre lang auf gefährlichste Routen im Amazonas? Am Ende seiner Reise schreibt er: „Ich versuchte, mir über die seltsamen Beweggründe klar zu werden, die dazu geführt hatten, dass ich so manches meiner besten Jahre in der Wildnis Südamerikas verbrachte. Ich habe bis heute keine Antwort darauf gefunden“. Offenbar lockten ihn die Wildnis und die Aussicht schnell reich zu werden. Denn er versuchte zu den uralten Quellen des Inkagoldes vorzudringen.

Mit Indianern auf Kriegspfad

Doch nicht das Entdecken von Gold wird zum Höhepunkt seiner Reise und seines Berichtes. Vielmehr kommt er den Jívaro-Indianern so nahe, dass er mit ihnen auf Kriegspfad geht. Dabei beschreibt er den Überfall der Jívaro auf ein Dorf der Huambisa, ihren Feinden. Bei dem Überraschungsangriff werden mehrere Männer der Huambisa getötet, Frauen und Kinder gefangen genommen.

Warum trugen manche Völker ihre Feinde als Schrumpfköpfe um den Hals? Warum war es für andere wichtig, den Verstorbenen die Schädeldecke abzuschlagen? Und wie entsteht ein Kristallschädel? Das Verhältnis des Menschen zu seinem Kopf war schon immer voller Rätsel. Denn der Anblick eines Schädels verursacht ein schauriges Gefühl. Und dennoch übt der Schädel auf den Menschen eine faszinierende Anziehungskraft aus. Im Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim fand 2011/12 eine spektakuläre Schädel-Ausstellung statt. SPIEGEL TV drehte einen Bericht über die Ausstellung. Dabei gaben einzigartige Schädelfunde und Kopf-Präparate spannende Einblicke in das Phänomen „Schädelkult“.


Die Jívaro bemächtigen sich der Köpfe der erschlagenen Feinde. Nach Up de Graff ist dies die kostbarste Kriegsbeute für die Jívaro. Der Autor erlebt die Prozedur zur Konservierung der erbeuteten Köpfe, beschreibt wie sie zu Schrumpfköpfen werden. „Ja, und so endete ein – wie ich behaupten kann – einmaliger Tag in der Geschichte der ethnologischen Forschung“, schreibt Up de Graff. Vor über hundert Jahren gab es in Amazonien offenbar noch Vorstellungen und Gebräuche bei einzelnen Indianerstämmen, von denen heute nicht mehr viel geblieben ist.

Der Autor verliert auch in den gefährlichsten Lagen, selbst auf Kriegspfad mit den Indianern, nicht seinen Humor. Und das, obgleich er sich immer wieder auf gefährliche Abenteuer einlässt. Auf jeden Fall weiß er sie auf spannende Weise zu berichten. Somit gibt das Buch gibt einen unverstellten Einblick in die Zeit vor über hundert Jahren in Amazonien.

Über den Autor:

Fritz W. Up de Graff, 1873 in den USA geboren, wurde Elektroingenieur. 1894 scheiterte sein Versuch, in Ecuador einen modernen Industriebetrieb aufzubauen. Statt in die Vereinigten Staaten zurück zu kehren, schlug er den Umweg über die östlichen Kordilleren ein, das Napo-Tal hinunter und dann den Amazonas abwärts bis nach Manaus, eine Route, die noch heute als gefährlich gilt. Im November 1901 kehrte er schließlich nach New York zurück. Später arbeitete er als Bergbauingenieur in Mexiko, Nordamerika, Kuba und Spanien. 1927 kam er bei einem Autounfall ums Leben.

Das Buch erschien in New York im Jahre 1923 unter dem Titel „Head hunters of the Amazon. Seven years of exploration and adventure.
Die deutsche Erstausgabe erschien 1925 in Leipzig.
1996 neu erschienen im Unionsverlag Zürich.
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Quellen:

 

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Über Bernd Kulow 168 Artikel
Als Journalist gestalte ich diese Webseite. Seit 2 Jahren bin ich freischaffender Filmemacher unter dem Namen MANGO-Film. Gearbeitet habe ich für dpa, DIE ZEIT, stern, Frankfurter Rundschau, Hörfunk und Fernsehen. Der Regenwald hat mich von klein auf fasziniert. Mehrfach war ich in Mittel- und Südamerika unterwegs. Dabei hat mich vor allem der Amazonas Dschungel beeindruckt.

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