Organraub, Kokain und Menschenraub

Journalist recherchiert im Drogenkrieg

Kokain beschlagnahmt

Thomas Kistner hat den aufregenden Journalistenbericht „Die Toten von Leticia“ geschrieben. Eine mit Spannung erzählte Recherche. Er deckt Unglaubliches in einem verdeckten Winkel unserer Welt auf.

Kistner betreibt investigativen Journalismus wie er im Lehrbuch steht. Dabei nimmt der Journalist für das Aufdecken der Wahrheit Risiken in Kauf, setzt sein Leben aufs Spiel. Kokain Organraub Menschenraub: Kistner recherchiert dort, wo es für jeden Journalisten gefährlich ist. 

Das Buch konfrontiert den Leser mit erschreckenden Tatsachen. Erschreckendes ereignet sich im Dunkeln des berüchtigten „weißen Dreieck“, dem Länderdreieck zwischen Brasilien, Kolumbien und Peru. Diese abgelegene Amazonas-Region, in der seit vielen Jahren Drogenbarone die Fäden ziehen, übte eine starke Anziehungskraft auf den Redakteur der Süddeutschen Zeitung aus.

Seither hat den Journalisten nicht mehr ruhen lassen, was er mit seinem Reisegefährten Georg Schultz Stück für Stück durch anstrengend-mühsame Recherchen erfuhr. Immer wieder zog es ihn in das abgeschiedene Amazonas-Gebiet. Dorthin gelangt man nur über Wasser oder durch die Luft.

Am Anfang hält Kistner einen mysteriösen Zettel von einem kolumbianischen Botschafter in der Hand: „Das dunkelste Kapitel unserer Geschichte fand bei Leticia im Dreiländereck statt“. Das war alles, was auf dem Blatt stand. Diesen Zettel durfte der Journalist eigentlich gar nicht besitzen. Doch diese geheimnisvolle Nachricht lässt den Journalisten nicht mehr los. Mit anderen Worten, seine Neugierde ist geweckt. Kurzum, er begibt sich in das gefährliche Länderdreieck im Amazonas Dschungel.

Drogenkrieg im „weißen Dreieck“

In diesem Teil Amazoniens prägt der Drogenhandel den Alltag der Menschen. Unterschiedlichste Gruppen, die in der einen oder anderen Weise mit dem Drogengeschäft in Verbindung stehen, streben nach Macht. Jedenfalls wollen sie um jeden Preis die Kontrolle über die Anbauregionen, über die neuen Drogenplantagen und Absatzwege. Nur so lange wie die kriminellen Banden das abgeschiedene Amazonas-Gebiet beherrschen, können sie Drogen außer Landes schmuggeln. Zudem importieren sie auf den gleichen Wegen verbotene Chemikalien zur Drogenherstellung.

8 Tonnen Kokain hat die kolumbianische Polizei im Frühjahr 2016 sicher gestellt. 

Inzwischen gilt das „weiße Dreieck“ als Welt größter Produzent und Verteiler von Kokain. Kistner versucht zu entziffern, wie das Netz des Drogenhandels gespannt ist zwischen den Guerilla-Organisationen, den Paramilitärs, der eigentlichen Drogenmafia und den wirtschaftlichen und militärischen Machthabern. Dabei spielen die USA eine entscheidende Rolle. Denn für den Plan Colombia hat der US-Kongress im Jahre 2000 über 1,3 Mrd. US-$ bewilligt. Ziel des Plans ist das Drogengeschäft und die Guerilla zu bekämpfen.

Rund 80 % der Summe entfallen auf Militärhilfe. Doch welche Interessen stehen hinter diesen gewaltigen finanziellen Mitteln? Welche geheimen Ziele verfolgen die USA? Welchen Einfluss hat die CIA im Amazonas-Dreieck?

Ermordet wegen innerer Organe

Das eigentlich Erschütternde kommt erst im letzten Teil des Buches ans Licht: Einfache Menschen, Fischer, Indianer werden ermordet aufgefunden, aufgeschlitzt und ihrer inneren Organe beraubt. Zunächst sind sich die beiden deutschen Journalisten nicht im Klaren, ob dies nur mysteriöse Geschichten sind. Schließlich befinden sie sich in einer Gegend, in der gern Geschichten erzählt werden, die nicht immer nur auf Tatsachen beruhen.

Doch die Schilderungen, obwohl sie aus unterschiedlichen, abgeschiedenen Gebieten kommen, gleichen sich und zeigen immer konkretere Fakten. Die Polizei wimmelt die deutschen Journalisten ab, unternimmt selber nichts. Handelt es sich um Organraub? Die Menschen werden mit hochmoderner Technik umgebracht. Warum begeben sich die Organjäger in den abgelegenen Amazonasregenwald, wo sie doch in den Armenvierteln Bogotás potentielle Opfer in jeder Seitenstraße finden?

Die Journalisten verfolgen unterschiedliche Spuren. Ihre intensiven Recherchen bleiben nicht unbemerkt. Gewiss nicht von denjenigen, die zu allem bereit sind, um ihre Menschen verachtenden Geschäfte weiterhin im Dunkeln ausführen zu können.

Morddrohungen im Dschungel

Ernst zunehmende Morddrohungen veranlassen die beiden Deutschen zu eiligen Schritten. Eines kann nach den Recherchen von Kistner und seinem Reisegefährten nicht mehr geleugnet werden: Seit Herbst 2002 werden im Regenwald Tote gefunden, die Köpfe abgetrennt, die Innereien geraubt: Herz, Leber, Nieren, wertvolle Rohstoffe für den illegalen Markt der Transplantationsorgane.

Mit großem, eigenen Risiko dringt Kistner in den Dschungel aus illegalen Geschäften ein. Dabei schlägt er Pfade in scheinbar undurchdringliches Dickicht aus Verbrechen und Vertuschung, internationalen Drogennetzwerken, Organraub und Menschen verachtenden Jagden auf Indianer. Endgültige Aufklärung über Verbrechen und Hintermänner kann von diesem Buch nicht erwartet werden. Doch der Leser bekommt einen Eindruck, was im abgelegenen Amazonas von statten geht. Dabei sind viele der kriminellen Geschäfte, denen der Autor nachgeht, bereits Geschichte – verschwiegene Geschichten.

Doch der Organraub findet in unserer Gegenwart statt. Man hätte sich hierüber mehr Informationen gewünscht. Zwar konnten die Journalisten im Dreieck des Schweigens nicht weiter recherchieren, doch sie hätten mehr über die internationalen Hintergründe des Organhandels beibringen können. Wohin werden die von ermordeten Indianern geraubten Organe gebracht? Wie gelangen sie in die Krankenhäuser der USA oder auch Europas? Welches Ausmaß hat der illegale Organhandel?

Das Buch:
Thomas Kistner: Die Toten von Leticia. Organraub, Kokainschmuggel und Menschenjagd in Kolumbien (mit Georg Schultz Rosenau). DVA, München 2003

Thomas Kistner

Geboren 1958, arbeitet als Sportredakteur bei der Süddeutschen Zeitung in München. Er zählt zu den international bekannten investigativen Journalisten. Insbesondere Südamerika bereist er seit über zwanzig Jahren. Sein neues Buch „FIFA-Mafia. Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball“ beschreibt die düsteren Affären im Fußball-Weltverband.

Über Bernd Kulow 168 Artikel
Als Journalist gestalte ich diese Webseite. Seit 2 Jahren bin ich freischaffender Filmemacher unter dem Namen MANGO-Film. Gearbeitet habe ich für dpa, DIE ZEIT, stern, Frankfurter Rundschau, Hörfunk und Fernsehen. Der Regenwald hat mich von klein auf fasziniert. Mehrfach war ich in Mittel- und Südamerika unterwegs. Dabei hat mich vor allem der Amazonas Dschungel beeindruckt.

2 Kommentare

  1. Sehr geehrter Herr Kulow und Herr Kistner,
    Danke für ihre Ausführungen.
    Einige Bücher von ihnen werde ich kaufen und weiter nachlesen.
    Dank meinem kritischen Verstand kenne ich durch und durch nicht nur die
    kolumbischische und portugiesische Invasion in Südamerika, sondern weiter
    die holländische, deutsche, englische, belgische weltweit.
    Sie waren immerdurch grausam.
    Umsomehr treffen mich ihre kommpletten Berichte.
    Da ich in der Nähe wohne, versuche ich einen Kontakt herzustellen.
    Meine Freundin, Heilpädagogin in Basel, lebend in Freiburg, ist vollkommen
    begeistert von Allem in Brasilien.
    Offensichtlich kann sie die dortigen Dinge nicht real wahrnehmen.
    Sozusagen ist alles schön, von den Wasserfällen, Rio, Paolo, Manaos, der
    Urwald, alles bestens.
    Die Organentnahme von Einheimischen betreffen mich enorm.
    Auch das Sekundäraufholzen, was wir hier nicht
    mit bekommen – anscheinend so tun
    als ob.
    Ich war nur ein einfacher Studienrat am Gymnasium und an der Uni,
    nie in einer Partei und das ist im Staatsdienst schwierig.
    Ich versuchte, meinen Schülern und Studenten kritisches Denken beizubringen.
    Klarerweise ist das nicht immer gescheitert.
    Viele Schülerinnen sind in die Politik gegangen.
    Liebe grüsse von Bernd Rheinländer.
    Ansonsten ist die Aufweichung und Abschaffung eines Diploms und den Staatsexamina nach Bologna verheerend, wir hatten gute und klare Ausbildungen.
    Anscheinend stammt dies aus den USA und England.
    Module sind wissenschaftsfremdlich, ebenso der Titel wie Bachelor oder Master.
    Zudem auch ethikmässig.
    Nun bin ich pensioniert und gegen dies kann ich mich
    nicht wehren, viele meiner Schüler und Studenten sind in der Politik und
    Namen sind möglich.
    laufen mit.

    • Herr Rheinländer, rufen Sie mich doch gern an. Gern können wir uns hier in Freiburg mal treffen. Beste Wünsche für 2019. Bernd Kulow

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