Grüne Hölle oder Paradies?

Der Wald mit drei Stockwerken

Grüne Hölle oder Paradies: Brettwurzelbaum im Regenwald in Peru
Copyright: Bernd Kulow

Für die einen ist der Regenwald ein undurchdringbarer Dschungel, eine grüne Hölle. Andere sehen dort ein grünes Paradies mit einer Vielfalt von Lebewesen. Wie aber sieht es wirklich im Regenwald aus?

Der Amazonas-Regenwald ist noch längst nicht in seiner ganzen Breite erforscht. Deshalb besteht das Bild „Grüne Hölle“ weiterhin. Und das Ökosystem Regenwald ist bislang nur in seinen Grundzügen bekannt. Was unterscheidet den Regenwald von anderen Wäldern? Wie wachsen die Pflanzen ohne Jahreszeiten? Was hält dies einzigartige Ökosystem zusammen?

In einem Gürtel rund um den Äquator herrscht warmes, feuchtes Klima. Hier kann der Regenwald gedeihen, denn er trifft auf optimale Bedingungen: Temperaturen zwischen 20 bis 28 Grad Celsius gekoppelt mit hohen Niederschlägen und diese sind über das ganze Jahr gleichmäßig verteilt. Der größte zusammenhängende Regenwald der Welt befindet sich am Amazonas und seinen Nebenflüssen.

Stockwerke im Wald

Man spricht beim Regenwald von unterschiedlichen Stockwerken des Walds. Deutlich lassen sich drei Etagen unterscheiden. Das Dach des Regenwalds bilden dabei die so genannten Überständer, Bäume die 60 bis 80 Meter hoch werden. Damit sind sie doppelt so hoch wie Bäume in Deutschland. Diese riesigen Bäume stehen oft isoliert und können aufgrund ihrer enormen Höhe nur von wenigen Tieren erreicht werden.

Unter der Wipfelregion der Baumriesen erheben sich die Kronen der mittel hohen Bäume. Das Untergeschoss wird von der bodennahen Vegetation gebildet.In jedem Stockwerk des Regenwaldes hat sich eine eigene, gut angepasste Tier- und Pflanzenwelt entwickelt.

Das Dach als Lebensraum

Im Dach des Regenwaldes, oben in den Kronen der Baumriesen, klettern die Affen herum, leben Vögel und Reptilien. Unzählige Insektenarten finden hier ihre Nahrung und können sich hier vermehren. Wie die Tiere und Pflanzen in den Baumwipfeln leben und wie sie von einander abhängig sind, darüber weiß man noch recht wenig. Um hier Erkenntnisse zu sammeln, haben sich Forscher in die Baumwipfel „eingenistet“, hoch oben Forschungsstationen gebaut.

Die Baumwipfel des Regenwaldes sind nicht nur wegen ihrer enormen Artenvielfalt interessant. Das Laubwerk der großen Bäume leistet einen entscheidenden Beitrag zur Regeneration der Erdatmosphäre. Die Blätter entziehen der Luft mittels der Sonnenenergie Kohlendioxid. Mit Hilfe der so genannten Photosynthese wandeln sie das für die Atmosphäre schädliche Kohlendioxid in Sauerstoff um.

Düstere Atmosphäre lässt Dschungel wie grüne Hölle erscheinen

In den mittleren Baumkronen ist das Leben an den Halbschatten angepasst. Dieses Blätterdach ist so dicht, dass es selbst einen Regenschauer erst nach Minuten durchtropfen lässt. Die düstere Atmosphäre unten im Regenwald hat wohl mit dazu beigetragen, dass der Urwald manchem als grüne Hölle erschien.

Denn das bunte, vielfältige Leben existiert oben in diesen Baumkronen. Dort leben zwei Drittel aller Tier- und Pflanzenarten des tropischen Regenwalds. Blätter, Blüten, Samen und Früchte bieten einer Menge von Vögeln, Insekten und anderen Tieren ein riesiges Futterreservoir.

Die Baumkronen sind so eng und dicht miteinander verwachsen, dass sie wie eine grüne Decke wirken. Nur wenig Licht kann hier durchdringen und die Luftfeuchtigkeit bleibt unter dieser grünen Decke eingeschlossen. Damit aber wird es am Boden auch ziemlich düster, denn die Vegetation lässt nur 1 % des Lichtes bis auf den Boden fallen. Deshalb entstand wohl das Bild der grünen Hölle.

Auf dem Waldboden, zu dem wenig Licht vordringt, leben Pflanzen, die den Schatten lieben, in Einheit mit Pilzen und Farnen. Sie sind der Lichtmenge, der Luftfeuchtigkeit sowie der Nahrung angepasst. Doch wegen des fehlenden Sonnenlichts bildet sich kaum Unterholz. Und der Regenwald stellt selten einen undurchdringlichen Dschungel dar, wie man ihn sich vorstellt.

Artenvielfalt wie sonst nirgends

Im Regenwald ist das Wetter ausgeglichen von Januar bis Dezember, denn Jahreszeiten gibt es keine. Es herrschen weder extreme Hitze noch außergewöhnliche Kälte.

Die Pflanzen im Regenwald wachsen, blühen und gedeihen zu jeder Zeit. Die meisten Arten haben eigene Rhythmen: Manche blühen gleich mehrmals im Jahr, während andere viele Jahre gar keine Blüten ansetzen.

Der Regenwald ist vor allem durch seine Artenvielfalt charakterisiert. Auf einer kleinen Fläche wachsen die unterschiedlichsten Arten, auf wenigen Quadratkilometern können mehr Pflanzenarten vorkommen als in ganz Europa. Die unterschiedlichen Bäume wie auch die anderen Pflanzen wachsen alle nebeneinander. Man findet selten die gleiche Art mehrmals an einer Stelle.

Wie trägt eine möglichst große Artenvielfalt zum Überleben des Waldes bei? Eine Forschergruppe hat im Dschungel von Suriname nachgesucht. Das aktuelle Projekt ist für die Wissenschaftler besonders interessant – im südlichen Dschungel von Suriname wurden Pflanzen- und Tierbestand noch nie systematisch untersucht.

In Windeseile zersetzt

Nach Schätzungen von Biologen kommen über die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten der Erde nur im tropischen Regenwald vor. Die große Mehrzahl ist noch kaum erforscht und nach realistischen Vermutungen gibt es noch viele Arten, die noch nie ein Wissenschaftler zu Gesicht bekommen hat.

Der Regenwald ernährt sich aus sich selbst. Die Mehrheit der Nährstoffe (50 bis 90 %) kreist überirdisch, gelangt nicht auf den Boden. Und was auf den Boden gelangt, wird in Windeseile zersetzt. Der Boden kann deshalb keine Fruchtbarkeit speichern.

Unfruchtbarer Boden

Der Boden des Amazonas-Regenwaldes ist meist völlig ausgepowert. Im Zentrum Amazoniens, mitten im Regenwald, existiert der ärmste Untergrund, der unfruchtbarste Boden auf der ganzen Erde. Geologisch ist der Boden sehr alt, alle Nährstoffe sind entnommen und er ist sehr sauer. Die Humusschicht ist sehr flach. Der Regenwald wird deshalb auch als Wald ohne Humus bezeichnet.

Der Regenwald kann nach seiner Abholzung nicht wieder hergestellt werden. Wenn er einmal vernichtet ist, bleibt er unwiederbringlich verloren. Nach einer Rodung erodiert die Humusschicht sehr schnell. Nach etwa 3 Jahren wächst auf einem gerodeten Stück Regenwaldboden nichts mehr. Zurück bleibt unfruchtbares, ökologisch nutzloses Land. Und doch verschwindet immer mehr Regenwald – im Vergleich etwa die Hälfte Deutschlands jedes Jahr.

Falsche Vorstellungen über üppiges Wachstum

Früher allerdings hielt man den Regenwald für unbeschreiblich fruchtbar. Das übermäßige, üppige Wachstum führte zu dieser falschen Vorstellung. Wenn im Regenwald abgestorbene Pflanzenteile, wie Laub oder Äste, zu Boden fallen, werden sie bei der hohen Temperatur und dem immer feuchten Klima durch Bakterien und Pilze zersetzt. Die Nährstoffe können sich nicht auf dem Boden anreichern und so kann sich keine Humusschicht aus nicht völlig zersetzten Tier- und Pflanzenteilen bilden. Man stößt schon wenige Zentimeter unter der oberen Bodenschicht im Regenwald auf Sand oder Lehm. Die Nährstoffe sind nicht im Boden gespeichert, sondern in den Pflanzen selbst.

Abgeholzter Regenwald bleibt für immer verloren. Die grüne Hölle, das Unbekannte, Unerforschte verschwindet damit. Die grüne Hölle wird zur übersichtlichen Landschaft, kurzfristig wirtschaftlich nutzbar.

Quellen:

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Über Bernd Kulow 168 Artikel
Als Journalist gestalte ich diese Webseite. Seit 2 Jahren bin ich freischaffender Filmemacher unter dem Namen MANGO-Film. Gearbeitet habe ich für dpa, DIE ZEIT, stern, Frankfurter Rundschau, Hörfunk und Fernsehen. Der Regenwald hat mich von klein auf fasziniert. Mehrfach war ich in Mittel- und Südamerika unterwegs. Dabei hat mich vor allem der Amazonas Dschungel beeindruckt.

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