Zitteraal: starke Stromstöße

Das Elektrizitätswerk im Tierreich

zitteraal

Zitteraale erzeugen derart starke Stromstöße, dass selbst ein Pferd dies nicht überlebt. Die Zitteraale nutzen die elektrischen Impulse auch zur Orientierung.

„Ich sah Peter gerade dabei zu, wie er energisch die Machete schwang, als er plötzlich einen Schrei ausstieß und durch das brusttiefe Wasser zurück stürmte. „Strom! Elektrischer Strom!“ schrie er. Er sah schreckensbleich aus, und mir war sofort klar, dass er einen Schlag von einem Zitteraal bekommen hatte.

Er lehnte sich schlotternd ans Kanu. Da er immer noch ziemlich geschockt aussah, nahm ich die Machete und schlug einen langen Ast von einem Baum am Ufer ab. Dann ging ich langsam und vorsichtig auf das Gestrüpp zu und schlug dabei mit der flachen Seite der Machetenklinge auf das Wasser und stocherte mit dem Ast am Flussboden herum. Es war nicht ungefährlich. Diese spannend geschriebene Begegnung mit einem Zitteraal stammt aus dem Buch „Piranhas zum Frühstück“ von John Harrison.

Zitteraal tötet sein Beutetier mit kräftigem Stromschlag

Der Zitteraal kann schlecht sehen. Als Ausgleich für seine schlechte Sicht ist er auf seine elektrische Energie angewiesen. Zitteraale (Electophorus electricus) können Stromstöße bis über 600 Volt erzeugen. Der Strom wird in einzelnen Muskelpartien auf dem langen Hinterkörper erzeugt. Da diese wie bei einer Plattenbatterie hintereinander geschaltet sind, ergeben sich die starken Stromstöße, die der Zitteraal zur Verteidigung oder zur Lähmung seiner Beute einsetzt. Die Stromstöße können eine Sekunde lang anhalten.

Dieses Video zeigt, wie ein Zitteraal einen Fisch mit starkem Stromschlag betäubt und dann verspeist. Mit dem Stromschlag bekommt er seine Beute. Doch auch zur Orientierung setzt der Zitteraal Strom ein. Er produziert ein elektrisches Feld um seinen Körper herum. Sobald andere Fische in dies elektrische Feld geraten, spürt er die Störung. 

Seine elektrischen Impulse dienen ihm auch zur Orientierung. Sobald er sich in Bewegung setzt, erzeugt er pro Sekunde 20 bis 30 elektrische Impulse. Gegenstände in seiner Umgebung reflektieren die Impulse. Der Zitteraal ist in der Lage diese Signale zu empfangen und auszuwerten. So findet er – ähnlich wie eine Fledermaus mit ihrer Echolotpeilung – seinen Weg durch die sumpfigen Gewässer und peilt auch auf diese Weise seine Beutetiere an. Hat der Zitteraal ein Beutetier geortet, dann tötet er es mit einem kräftigen Stromschlag aus seiner „Hauptbatterie“.

Der Zitteraal ist eigentlich kein richtiger Aal – eher ein Süßwasserfisch, der mit dem Wels verwandt ist. Er kann über zwei Meter lang werden und ernährt sich von Fröschen, Schalentieren und Fischen.

Kaum zu glauben: Ein Kaiman beißt in einen Zitteraal. Vom Stromschlag gelähmt, fließt 40 Sekunden lang der Strom in den Kaiman. Dann hat der Zitteraal gesiegt. Der Kaiman ist tot. 

Humboldt: Kampf zwischen Pferden und Zitteraalen

Auf seiner Reise vom Orinoko zum Amazonas wollte Alexander von Humboldt genau erforschen, wie stark die Stromstöße von Zitteraalen sind. Indianer führten ihn zu einem Bach, der in der dürren Jahreszeit ein schlammiges Wasserbecken bildete. Dort gab es viele Zitteraale. Doch mit Netzen ließen sie sich nicht fangen, weil sie sich in den Schlamm eingraben. Die Indianer machen den Vorschlag mit Pferden zu fischen. Humboldt ist verdutzt und wartet, was da kommen wird. Und tatsächlich kommen die Indianer nach nicht langer Zeit mit 30 ungezähmten Pferden und jagen sie ins Wasser.

Die Elektro-Aale sind nun  durch das Stampfen der Pferde aufs Äußerste gereizt und greifen die Pferde an. Dabei drängen sie sich unter den Bauch der Pferde. „Der Kampf zwischen so ganz verschieden organisierten Tieren gibt das malerischste Bild“, schreibt Humboldt. Die Pferde lässt Humboldt immer wieder zurück ins Wasser treiben. Die Zitteraale verteidigen sich durch wiederholte Schläge ihrer elektrischen Batterien.

Zitteraal
Alexander von Humboldt beschreibt wie Pferde gegen Zitteraale kämpften. Zwei Pferde ertranken.

Alexander von Humboldt beschreibt wie Pferde gegen Zitteraale kämpften.
Zwei Pferde ertranken. Public Domain

Zwei betäubte Pferde ertrinken

Mehrere Pferde, betäubt von den starken, unaufhörlichen Schlägen, sinken unter. „Andere, schnaubend, mit gesträubter Mähne, wilde Angst im starren Auge, raffen sich wieder auf und suchen dem um sie tobenden Ungewitter zu entkommen. Die Indianer aber treiben sie ins Wasser zurück.“ Zwei Pferde, von den Elektro-Streichen betäubt, ertrinken. Die anderen können sich schließlich ans Ufer retten.

Humboldt beschreibt genau, wie sich der 1,6 Meter lange Zitteraal an den Bauch des Pferdes drängt und mit der ganzen Länge seines elektrischen Organs einen Schlag versetzt. Mit der Zeit aber erschöpft der Kampf die Elektro-Aale. Sie zerstreuen sich. „Sie bedürfen jetzt langer Ruhe und reichlicher Nahrung, um den erlittenen Verlust an galvanischer Kraft wieder zu ersetzen.

Humboldt bekommt einen Elektro-Schlag ab

Humboldt zusammen mit den Einheimischen kann nun die erschöpften fangen. Dabei setzt Humboldt unvorsichtiger Weise einen Fuß auf einen Elektro-Aal. Er erleidet eine furchtbare Erschütterung: „Ich empfand den ganzen Tag heftigen Schmerz in den Knien und fast in allen Gelenken.“ Humboldt schreibt weiter, dass man eine Straße bei Uritucu umlegen musste. Denn die Straße verlief durch einen Fluss, in dem sich die Elektro-Aale stark vermehrt hatten. Beim durchwaten des Flusses starben immer wieder Maultiere durch die Stromschläge der Zitteraale.

Lange bezweifelt, jetzt bestätigt

Humboldts Beschreibung des Kampfes zwischen den Zitteraalen und den Pferden wurde lange Zeit als unglaubwürdig abgetan. Man bezweifelte, dass die Elektro-Aale solch starke Stößer erzeugen und damit Pferde umbringen konnten.

Doch nun geben die Wissenschaftler Humboldt recht. An der Vanderbilt Unviversität konnte der Biologe Kenneth Catania nachweisen, dass Humboldt nicht übertrieben hatte.

Die einzigartige Anatomie des Zitteraals ermöglicht die enorme Stromerzeugung. Denn im vorderen Teil seines Körpers liegen alle seine Organe. Der größere hintere Teil besteht dagegen aus Organen, mit denen er den Strom erzeugt und speichert. Dabei ist ein Teil der Muskulatur zu biologischen Batterien umgebaut. Kein Wunder: Für den Biologen Catania ist der Zitteraal der faszinierendste Raubfisch überhaupt. Der Wissenschaftler konnte nachweisen, dass der Stromfisch sich genauso verhält, wie Humboldt es beschrieben hatte.

Die Zitteraale attackieren ihren Feind nämlich tatsächlich indem sie sich aus dem Wasser aufbäumen und ihren elektrischen Körper gegen den Feind drücken. Dabei geben sie stärkste Stromstöße ab. Im folgenden Video nimmt man teil an der Vorführung der Experimente.

Vanderbilt University biologist Kenneth Catania has discovered that electric eels make leaping attacks that dramatically increase the strength of the electric shocks they deliver and, in so doing, has confirmed a 200-year-old observation by famous 19th century explorer and naturalist Alexander von Humboldt.

Primitive Lunge entwickelt

Der Zitteraal weist noch eine weitere Besonderheit auf. Seine Kiemen sind buchstäblich verschwunden. Statt dessen hat der Zitteraal primitive Lungen entwickelt. Die Lunge bildet eine bis zum Maul reichende Auskleidung, die Sauerstoff aufnimmt, wenn der Zitteraal an der Wasseroberfläche Luft schnappt. Dazu muss er alle fünfzehn Minuten an die Oberfläche kommen, um Luft zu holen.

 

Quellen:

  • John Harrison „Piranhas zum Frühstück“
  • Alexander von Humboldt: Vom Orinoko zum Amazonas, Wiesbaden 1980
  • Expedition Amazonas, Verlag Das Beste
  • Wikipedia: Zitteraal (abgerufen am 21.09.2016)
Über Bernd Kulow 168 Artikel
Als Journalist gestalte ich diese Webseite. Seit 2 Jahren bin ich freischaffender Filmemacher unter dem Namen MANGO-Film. Gearbeitet habe ich für dpa, DIE ZEIT, stern, Frankfurter Rundschau, Hörfunk und Fernsehen. Der Regenwald hat mich von klein auf fasziniert. Mehrfach war ich in Mittel- und Südamerika unterwegs. Dabei hat mich vor allem der Amazonas Dschungel beeindruckt.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*