Wissenschaftliche Forschungen sehen seit Neuestem eine Tendenz zum „greening up“ der Wälder weltweit. Demnach wächst im Allgemeinen die Waldbiomasse. Was versteckt sich hinter diesen Beobachtungen und was bedeutet das für den Regenwald?
– von Laure Hoeppli
Neugierig, wie er ist, hat der Mensch schon immer das Bedürfnis gehabt, seine Welt genau zu erkunden und zu beschreiben. Der Regenwald Amazoniens ist mysteriös und faszinierend, teils grüne Hölle, teils Paradies. Er ist unergründlich und trotz aller Forschung noch kaum verstanden. Heute bedroht ihn die Rodung zugunsten von, typischerweise, Viehhaltung oder Sojaanbau. Um die Entwaldung dieses riesigen Gebietes des Regenwaldes zu erkunden, seine Gründe zu verstehen und mit der Hoffnung, die Entwaldung einzuschränken, wird seit Anfang des letzten Jahrhunderts versucht, die Ausdehnung des Regenwalds zu erfassen.
Mit Hilfe von Satelliten ist eine präzisere Beobachtung des Waldes möglich. Dabei haben Forscher beobachtet, dass die Wachstumsperioden der Regenwälder eine Tendenz zur Verlängerung und Intensivierung erleben. In anderen Wörtern bedeutet dies, dass der Regenwald in längeren Phasen stärker wächst, als noch vor ein paar Jahrzehnten. Im wissenschaftlichen Jargon wird dies als Greening up bezeichnet.
Greening up, quod est?
Zur Analyse werden seit den 80er Jahren Daten von Satelliten gesammelt. Das funktioniert so: eine bestimmte Wellenlänge wird vom Satellit zur Erdoberfläche gestrahlt und die Rückstrahlung von der Erdoberfläche wird aufgefangen. Wieviel vom ursprünglichen Strahl von der Oberfläche reflektiert wird informiert über dessen Farbe und somit dessen Bedeckung. Das Prinzip kennen wir alle: helle Elemente spiegeln die Sonnenstrahlen ab, während dunkle die Strahlungen absorbieren (und heißer werden). Ein Baum absorbiert mehr Strahlung als eine Wüste. Aus der Messung der reflektierten Strahlung wird die grüne Fläche, die die Erdoberfläche bedeckt, gemessen. Daraus wird die Pflanzenbedeckung des Planeten abgeleitet. Mit Hilfe dieser Daten können Wissenschaftler unter anderem die Ausbreitung der Wälder feststellen.
2016 publizierte Zaichun Zhu aus dem Center for Excellence in Tibetan Plateau Earth Science in Beijing zusammen mit Wissenschaftlern aus der ganzen Welt Forschungsergebnisse über einen umfangreichen Vergleich von Satellitendaten der Erdoberfläche, die zwischen 1982 und 2009 entstanden sind(1). Dabei wurde eine langfristige und weitverbreitete Änderung der von Pflanzen bedeckten Erdoberfläche beobachtet, was auf eine Intensivierung der Wachstumsperiode der Wälder zurückzuführen ist. Die Biomasse dehnt sich aus, die Erdoberfläche wird grüner, es ist das Greening up.
Die Einflussfaktoren
Der Hauptfaktor des Greening up im Regenwald Südamerikas wurde in Klimamodellen als die erhöhte Kohlenstoffkonzentration in der Atmosphäre identifiziert. Der Kohlenstoff wird von der Biomasse durch die Photosynthese als Energiequelle aufgenommen. Somit hat der Wald mehr Energie zur Verfügung und kann schneller und effizienter wachsen.
Jiafu Mao aus dem Environmental Sciences Division and Climate Change Science Institute In Tennessee merkt jedoch an, dass kein Einflussfakor des Greening up alleine betrachtet werden sollte(2). Aktueller Stand der Wissenschaft ist, dass folgende Parameter ebenfalls einen großen Einfluss auf Baumwachstum haben: die Ablagerung von Stickstoff auf der Erdoberfläche, die vom Klimawandel verursachte steigende Temperatur und Veränderungen der Landnutzung.
Bedeutung des Greening up in Zeiten des Klimawandels
In der ersten Linie ist das Greening up als eine Antwort der Natur auf die steigenden Kohlenstoffkonzentrationen in der Atmosphäre zu verstehen. Es bildet sich ein sogenanntes negatives Feedback: da die Blätter mehr Erdoberfläche bedecken und mehr Photosynthese betrieben wird, kann auch mehr Kohlenstoff von der Atmosphäre in der Biomasse aufgenommen werden. Im Endeffekt verringert das Greening up die atmosphärische Konzentration von Kohlenstoff.
Bedeutet das Hoffnung für die Welt? Wenn das Klimasystem so einfach wäre wären alle Fragen der Klimaforschung, schon beantwortet. Doch zeigen verschiedene Klimamodelle, dass ab einem bestimmten Punkt im Klimawandel die Schäden, die der Regenwald genommen hat, nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Peter Cox vom Hadley Centre for Climate Prediction in Exeter (UK)(3) hat die Gründe des Sterbens des Regenwaldes Amazonien untersucht. Er ist zu dem Schluss gekommen, dass neben einem anthropologischen Motiv, die Erhöhung der Temperatur weltweit und dessen Folgen die Ursachen des Waldsterbens werden. Sollte keine drastische Änderung der jetzigen Kohlenstoffausstoße stattfinden, wird der Regenwald Amazoniens nicht gerettet werden können.
Am Ende
Wenn man die Zusammenhänge zwischen atmosphärischer Kohlenstoffkonzentration, Zyklus der Photosynthese, Greening up und Klimawandel zu skizzieren versucht, merkt man rasch, dass das gar nicht so einfach ist. Ein Dschungel an Parametern und deren Effekte füllen das Blatt und scheinen miteinander verbunden zu sein. Sollte der Regenwald Amazoniens von der Erdoberfläche verschwinden, werden seine Geheimnisse mit ihm gehen.
Solch eine riesige grüne Fläche auf der Erde kann logischerweise nicht ohne Konsequenzen für den ganzen Rest des Planeten absterben. Dies ist auch ohne tiefes Verständnis dieses Systems offensichtlich und die Folgen sind nur zu erahnen. Trotz des beobachteten Greening up und falls nicht in die Ursachen des Klimawandels eingegriffen wird, dürften die Aussichten düster sein: eine Wüste ohne Leben und noch weniger Puffer zwischen Natur und Klimawandel.
Quellen
- (1) Zhu et al., in Nature (2016): “Greening of the Earth and its drivers”
- (2) Mao et al., in Nature (2016): “Human-induced greening of the northern extratropical land surface”
- (3) Cox et al., in Theoretical and Applied Climatology (2004): “Amazonian forest dieback under climate-carbon cycle projections for the 21st century“
Bildnachweise:
- Dieter Schütz / pixelio
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