Schaurige Nacht im Dschungel

Nachtaktiv mit besonderen Sinnesorganen

Schaurige Nacht im Dschungel
Copyright: Bernd Kulow

Nachts verändert sich der Dschungel. Der eine Teil der Tiere zieht sich zurück, verbirgt sich, sucht ein unzugängliches Versteck. Doch andere Tiere werden jetzt hell wach. Sie haben in der Dunkelheit ihre aktive Zeit, gehen jetzt auf Beutefang.

Wenn nachts schwarze Regenwolken über dem Dschungel aufziehen, wird es finster. Dann ist absolut nichts mehr zu sehen, völlig schwarz wird es vor Augen. Die absolute Dunkelheit weckt seltsame Ängste – beim Menschen. Für viele Tiere allerdings stellt sich Tag und Nacht ganz anders dar. Sie warten den Tag über auf die Nacht. Erst in der Nacht im Dschungel werden sie aktiv. Denn die Nacht aktiven Dschungel-Tiere haben spezielle Sinnesorgane.

Fledermäuse fliegen umher, auf der Suche nach Früchten in den Baumkronen. Sie brauchen kein Augenlicht. Mit Ultraschall können sie sich in finsterster Nacht orientieren. Nachts wird auch der Jaguar aktiv und begibt sich auf Beutesuche. Überdies erwachen Schlangen und Ottern, liegen auf der Lauer.

Ein Jaguar jagt in der finsteren Nacht mit seinem nächtlichen Sinnesvermögen und Überlebensinstinkt. Faszinierende Szene von BBC Earth

Bei meinem Aufenthalt im Amazonas-Regenwald im Norden Perus, verbrachten wir Nächte in einem provisorisch errichteten Camp mitten im Wald. Die erste Nacht in totaler Finsternis, in der ich meine eigene Hand vor den Augen nicht mal in Umrissen erkennen konnte. Eine Dunkelheit wie ich sie noch nicht erlebt hatte. In der Hängematte liegend, von aggressiven Moskitos umgeben, bekam jedes Geräusch eine übermächtige Bedeutung. Tatsächlich wurde es eine schaurige Nacht im Dschungel für mich.

Unheimliche Geräusche

Wassertropfen auf dem Weg durch das Laubwerk der hohen Regenwald-Bäume schienen mir Geräusche von Tieren zu sein. Man konnte meinen, die Echosignale der Fledermäuse zu vernehmen. Die hoch frequenten Töne allerdings liegen außerhalb des menschlichen Hörvermögens.

Die berühmteste Fledermaus des Amazonas allerdings, die Vampirfledermaus, verlässt sich bei der Beutesuche selten auf die Echoortung. Sie ernährt sich in erster Linie vom Blut der Säugetiere. Diese Beute kann sie mit ihren Augen und dem Geruchssinn aufspüren. Das geschlossene Moskitonetz schützt nicht nur vor den stechenden Insekten. Auch die blutsaugenden Vampirfledermäuse werden abgehalten.

Nacht im Regenwald
Düstere Nächte mitten im peruanischen Regenwald                                                           Copyright: Bernd Kulow

Die Schlangen im Dschungel sind am Tage meist träge und schläfrig. Deshalb sieht man sie im Dschungel nur selten. Sie ernähren sich von Tieren, die in der Nacht aktiv sind. Dies gelingt ihnen, weil sie mit wärmeempfindlichen Sinnesorganen ausgestattet sind. Mit den Wärmesensoren können sie ihre Beute ausmachen. Die Wärmesensoren befinden sich in Einbuchtungen im Oberkiefer.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Schlange ein infrarotes Bild empfängt, mit dem das optische Bild überlagert wird. Wenn die Schlange zum tödlichen Biss ansetzt und das Maul öffnet, befindet sich das Beutetier allerdings außerhalb der Reichweite der Wärmesensoren. Neuere Forschungen haben ergeben, dass die Schlange zusätzliche Sensoren im Maul hat.

Die Forschungen haben sich lange Zeit auf Sehen und Hören der Tiere konzentriert. Doch viele Tiere haben völlig anders ausgeprägte Sinnesorgane als der Mensch, vor allem wenn sie in der Nacht aktiv sind. Sie nehmen ihre Welt ganz anders wahr. Erst nach und nach haben Biologen die unterschiedlichen Sinne im Tierreich erforscht.

Zeitloser Traum

Nacht aktive Tiere sind meist besonders an die Dunkelheit angepasst. Denn sie verfügen über einen ausgesprochen feinen Geruchssinn oder ihre akustischen Sinne sind speziell ausgeprägt. Einerseits sind die Augen an das Dunkel angepasst und weisen eine höhere Lichtempfindlichkeit auf. Andererseits sind die Augen und Pupillen der Nacht aktiven Tiere meist größer. Zudem liegt hinter der Netzhaut oft noch eine reflektierende Schicht, Tapetum genannt. Hierdurch wird das Licht erneut durch die Netzhaut reflektiert und damit die Wirksamkeit erhöht. Die Netzhaut der Nachttiere ist von vielen Stäbchen besetzt, die besonders empfindlich für schwaches Licht sind.

Nachts im Regenwald ist man umgeben von den Geheimnissen des tief schwarzen Waldes. Der in Dunkelheit gehüllte, sagenumwobene Urwald mit seinen ungeheuren Ausmaßen erscheint als feindlich und gefährlich. Dann wird der Dschungel zum Unbekannten an sich.

Ähnlich beschreibt Martin Specht in seinem Buch „Amazonas – Gefahr für die grüne Lunge der Welt“ seine Nächte im Regenwald: „Der Regenwald ist niemals still. In der Dunkelheit hört man das Zirpen der Grillen, das metallene Quaken der Frösche, ab und zu den Ruf eines größeren Säugetiers, unterlegt vom Rauschen des Regens, der vom Himmel herabstürzt.“

„Die erste Nacht war so lang, dass sie die Dunkelheit unter den Bäumen verstecken musste.“

Aus einem Schöpfungsmythos indigener Bewohner des Amazonas

Der international führende Evolutionsforscher Edward O. Wilson beginnt sein Buch über den Wert der Vielfalt mit der eindrucksvollen Beschreibung einer Nacht im Amazonas-Regenwald: „Tief im Herzen hoffen wir, dass wir niemals alles entdecken werden. Wir beten, es möge immer eine Welt geben wie jene, an deren Rand ich in der Finsternis saß. Der Regenwald in seinem Reichtum ist eines der letzten irdischen Refugien dieses zeitlosen Traumes“.

Über Bernd Kulow 168 Artikel
Als Journalist gestalte ich diese Webseite. Seit 2 Jahren bin ich freischaffender Filmemacher unter dem Namen MANGO-Film (www.mango-film.de). Gearbeitet habe ich für dpa, DIE ZEIT, stern, Frankfurter Rundschau, Hörfunk und Fernsehen. Der Regenwald hat mich von klein auf fasziniert. Mehrfach war ich in Mittel- und Südamerika unterwegs. Dabei hat mich vor allem der Amazonas Dschungel beeindruckt.

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